Der Hexerich

by Jean Tinguely

Material

Installation mit Elektromotor und Maske; 120 x 47 cm

Datierung

1991

Über das Kunstwerk

„Der Hexerich“ ist eine Kollaboration der beiden Künstler Eva Aeppli und Jean Tinguely aus dem Jahre 1991. Die Beiden hatten sich 1943 an der Kunstgewerbeschule in Basel kennengelernt und heirateten 1951. Während ihrer Zeit als Ehepaar entstanden viele gemeinsame Werke, doch nach ihrer Trennung 1960 dauerte es 40 Jahre bis es wieder zu neuen Kollaborationen kam. Tinguely hatte die hier gezeigte kinetische Skulptur zuerst alleine gestaltet, doch Eva Aeppli ergänzte sie auf Tinguelys Wunsch später mit einem für die Künstlerin typischen Kopf aus Seide.
Aepplis Bilder und Figuren fesseln den Betrachter und wer sich darauf einlässt, wird einen ganzen, schauerlich-schönen, abgründig-humorvollen Kosmos entdecken, in welchem Lust und Last des Daseins zum Ausdruck kommen. Mit seinen eher düsteren Motiven – Skeletten, tristen, einsamen Gestalten, stummen Gesichtern – verweist ihr Werk, manchmal fast physisch schmerzhaft, auf die Defizite unserer Zeit. Der Holocaust war ein tief einschneidendes Erlebnis im Leben der Künstlerin und hat ihre Arbeiten massgeblich beeinflusst. Zwischen den Jahren 1939 und 1945 hatte die Familie Aeppli nacheinander drei jüdische Kinder bei sich vor dem nationalsozialistischen Zugriff versteckt. Ihr Bruder sagte dazu: „Wir wussten um die Ausbreitung der braunen Flut, die Gefährdung der Juden und die Unterdrückung der Kunst. Dass diese Erfahrungen Eva, die Empfindsamste unter uns, am stärksten betroffen machten, ist anzunehmen.“
Aber auch bei allem Schrecken gelingt es Aeppli die erniedrigenden Mächte zu umspielen. Ehe sich Schrecken und Tod versehen, schleicht sich Humor ein, werden sie weggeschoben und das Geschehen kippt zu einem listigen „danse macabre“. Es erhebt sich die Macht der Stummheit und die Arbeiten werden zu Mahnmalen gegen das Dunkle, Entwürdigende und Böse.
Aepplis Werk lässt sich grob in vier Kategorien einteilen, welche sich chronologisch folgen: Zeichnungen, grossformatige Ölbilder, Figuren und Köpfe aus Textilien und Bronze-Köpfe. Allerdings musste die Künstlerin vor allem für ihre genähten Textilwerke viel Hohn ertragen, wurde sie doch dafür verspottet in der „hohen“ Kunst eine so niedrig angesehene Produktionstechnik zu verwenden. Aeppli liess sich davon aber nicht beirren und wurde im Laufe der Zeit geübter in der Fertigung ihrer Seidenköpfe und so vermochte sie den Gesichtern immer mehr Detailreichtum und Mimik einzuhauchen. Dies lässt sich auch an dem hier gezeigten Exemplar sehr gut beobachten.
Aepplis düstere und bedrückende Werke bilden einen interessanten Gegenpol zu Tinguelys sonst sehr verspielten, kinetischen Konstruktionen. Doch bei dieser Kollaboration der beiden Künstler wird deutlich, wie das Werk des einen Künstlers das des anderen Künstlers beeinflussen kann. Durch Aepplis Kopf wird die ganze Konstruktion zu einer unheimlichen Erscheinung und erinnert an Tinguelys Werkserie „Mengele – Totentanz“, bei welcher der Künstler das Thema der Konzentrationslager verarbeitete. Diese Werkserie war in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Eisenplastiker Bernhard Luginbühl entstanden. Ähnlich wie bei der Kollaboration mit Aeppli war es Luginbühl, welcher Schädel in Tinguelys Werke integrierte, allerdings waren es bei ihm knöcherne Tierschädel. Diese Einflüsse lassen Tinguelys sonst eher fröhliche und kindliche Werke in einem neuen und etwas düsteren Licht erscheinen.

Über den Künstler

Jean Tinguely gilt als einer der erfolgreichsten und bedeutendsten Schweizer Künstler und ist vor allem für seine kinetischen Konstruktionen bekannt. Zusammen mit Yves Klein und anderen Künstlern gründete er die Pariser Gruppierung der Nouveaux Réalistes.
Tinguelys Werk, das von einem Ringen zwischen einem eher klassischen, geometrisch-abstrakten Formwillen und einem dadaistisch-barocken Überschwang durchzogen ist, hat seine Wurzeln im Konstruktivismus und im Bauhaus.
Seine Begeisterung für technische Hochleistungsmaschinen verweist auf den Antrieb hinter seiner Arbeit: die technische und ästhetische Bewältigung von Bewegungsabläufen. Zentral ist der Reiz des Zusammenspiels zwischen der Expressivität der Bewegungslinien einerseits und dem Sinngehalt der bewegten Formen und Materialien andererseits. Er verschaffte Tinguelys Werken nicht nur den raschen Erfolg bei einem geschulten Kunstpublikum, sondern echte Popularität.