Dans les rues d’Athènes
by Max Ernst
Material
Bronze; Höhe: 96.5 cm
Datierung
1960
Über das Kunstwerk
Edition 4/5
Wie zahlreiche grosse Maler, war Max Ernst stets von der Bildhauerei fasziniert, auch wenn er sich erst spät damit beschäftigte. Seine Freundschaft mit Jean Arp, mit dem er 1919 die Bewegung des Kölner Dadaismus ins Leben rief, war sicherlich einer der Gründe für diese Faszination. Nachdem er ab 1929 angefangen hatte sich mit der Skulptur auseinanderzusetzen, brachte sein Aufenthalt 1935 bei Alberto Giacometti in Maloja neue Inspiration und intensivierte sein Schaffen in diesem Bereich. Die beiden Künstler transportierten in einem Flussbett gefundene, vom Wasser rundgewaschene Granitblöcke vor Giacomettis Haus. Ernst bearbeitete diese Blöcke als erste bildhauerische Versuche, schuf auf ihnen flache Reliefs von Blumen, Vögeln und Figuren, deren Form er später jedoch nicht fortsetzte.
Doch für lange Zeit blieb er der einzige surrealistische Bildhauer, da sich Giacometti bereits ein Jahr später für die Rückkehr zum Modell entschieden hatte und Jean Arp trotz seiner Beteiligung am Dadaismus zur Abstraktion und den Ideen Brancusis tendierte. Aufgrund der Deklarierung seiner Werke als „Entartete Kunst“ durch die Nazis und mehrerer Internierungen als „feindlicher Ausländer“ während seiner Zeit in Paris floh er 1941 nach Amerika.
In Amerika beeindruckten ihn die Masken der Hopi-Indianer, was sich in einer imposanten Produktion von Skulpturen niederschlug. Er entwickelte einen ganz persönlichen Stil, der sich durch charakteristische Formen auszeichnete, die von verschiedenen Einflüssen seiner malerischen Suche geprägt wurden. Durch das Ausgiessen von Hohlformen wie Blumentöpfen, Tellern oder Muscheln und durch das Abgiessen von Fundgegenständen erstellte Ernst Einzelelemente welche beliebig miteinander kombinierbar waren. Mit der Kombination von flacher Grundtafel, hochrechteckiger Körperfläche, querrechteckiger Kopfplatte und den beiden vollplastischen kleinen Figuren betont der Künstler in „Dans les rues d’Athène“ den Prozess der zunehmenden Vergegenwärtigung des Wesens durch die Darstellung des Übergangs von der Fläche des Bildes zum Räumlichen der Plastik.
Max Ernst holte, wie viele andere Surrealisten, seine künstlerischen Ideen aus seinen Träumen und Phantasien, aus dem Unterbewusstsein. Durch seine Werke versuchte er die Grenze zwischen Traumwelt und Wirklichkeit aufzuheben. Was er erschuf, sind absurde und ironische Abbildungen der Realität, gefüllt mit Mischwesen, welche den Anschein haben, als wären sie der Phantasiewelt eines Kindes entsprungen. Dazu Max Ernst: „Die Plastik entsteht in einer Umarmung, mit beiden Händen, wie die Liebe. Immer, wenn ich mich der Plastik zuwende, habe ich das Gefühl, in den Ferien zu sein. […] Wenn ich plastisch arbeite, entspanne ich mich. Es macht mir das gleiche Vergnügen wie damals, als ich als Kind im Sand Burgen baute. Wenn ich mit der Malerei in eine Sackgasse komme, was immer wieder passiert, bleibt die Skulptur als Ausweg übrig: denn die Skulptur ist noch mehr ein Spiel als Malerei.“ Nicht umsonst war einer der Leitsätze der Dadaisten, zu welchen Ernst anfänglich und gegen Ende seiner Karriere gezählt wurde, sich auf Kindlichkeit, Ursprünglichkeit und die Anfänge der Kultur zu besinnen. Ihr Ziel war es, dem Spielerischen und Absurden, dem Zufälligen und Willkürlichen einen Platz in der Kunst zu geben.
Über den Künstler
Der französische Maler, Grafiker und Plastiker deutscher Herkunft war einer der Hauptvertreter des Kölner Dadaismus und gehörte zu den Initiatoren und vielseitigsten Vertretern der surrealistischen Bewegung. Seine Gemälde und Collagen zeugen von einem aussergewöhnlichen Erfindungsreichtum im Umgang mit Inspirations- und Bildtechniken. Ernst hat über den Surrealismus hinaus auch spätere Bewegungen entscheidend mitgeprägt. Die all-over-Strukturen des Action Painting, dessen bekanntester Vertreter Jackson Pollock war, wären ohne seinen Beitrag kaum denkbar.
Max Ernst studierte an der Universität Bonn Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte. Durch das Studium der Psychologie kam er mit dem Werk Sigmund Freuds in Berührung und begann sich für die Kunst von Psychiatriepatienten zu interessieren. 1912 entschloss er sich schliesslich, ermutigt durch seinen Freund, den deutschen Expressionisten August Macke, als Autodidakt Maler zu werden. Das Fehlen einer künstlerischen Ausbildung half ihm dabei, die Sprache der Malerei des 20. Jahrhunderts auf eine revolutionäre Weise zu erneuern. Er wandte sich gegen die damals gängigen Konventionen und verfolgte einen künstlerischen Weg, welcher das Unterbewusstsein in den Fokus rückte und darzustellen versuchte.