La Brouette

by Salvador Dalí

Material

Eisen, Bronze und versilberte Bronze; Länge: 160 cm

Datierung

1960

Über das Kunstwerk

Die Skulptur La Brouette wurde von Salvador Dalí 1960 während einer experimentellen Phase erschaffen. Nach dem Vorbild der Surrealisten und später auch der frühen Pop Art kombinierte er in diesem Werk eine ungewöhnliche Auswahl von verschiedenen, vordergründig zusammenhangslosen Objekten: die eiserne Schubkarre ist mit einem Bolzenschneider, einem Kandelaber, drei Blumenkohlköpfen und einer Engelsfigur bestückt.
Die grundlegendste Form dieses Objektes, die Schubkarre, beschäftigte Dalí seit seiner intensiven Auseinandersetzung mit Jean-François Millets Gemälde Angelus aus dem Jahre 1859, welches später noch grossen Einfluss auf seine Bildmythologie haben sollte. Das Gemälde zeigt ein Bauernpaar, das während der Kartoffelernte zum Gebet innehält. Neben dem Bauer steckt eine Heugabel im Boden und im Hintergrund, teilweise von der Frau verdeckt, steht, mit Kartoffelsäcken belegt, die bereits erwähnte Schubkarre. Als er während seiner Kindheit die christliche Schule in Figueres besuchte, hing eine Kopie des Bildes im Korridor vor dem Klassenzimmer, wo es ihn gleichermassen beeindruckte wie beunruhigte.
Diese Faszination, welche zunächst durch einen kindlich-unschuldigen Sinneseindruck hervorgerufen worden war, führte im Erwachsenenleben zu einer tiefen paranoisch-kritischen Beschäftigung mit dem Angelus-Gemälde. Dalí griff das Bildthema über Jahre hinweg immer wieder auf und verarbeitete es in einer Reihe von Bildern und Objekten. Er interpretierte das fromme Motiv des Bauernpaares beim Abendgebet auf dem Feld radikal um und entdeckte darin eine Fülle an erotischen Anspielungen. So deutete er etwa die Position des Hutes des Bauern als Bedeckung für dessen erigiertes Glied und die gebückte Körperhaltung der Frau als sexuelle Bereitschaft. Die Schubkarre mit den Kartoffelsäcken und die neben dem Bauern hochragende Heugabel übersteigerten in Dalís Augen die erotische Symbolik zudem noch. Des Künstlers latent mitschwingende sexualisierte Interpretation des Angelus-Paares, welche nicht nur die beiden Figuren, sondern auch die sie umgebenden Gegenstände miteinbezog, fand ihren Niederschlag auch im vorgestellten Objekt La Brouette.
Die vorliegende Skulptur wurde nach einer real gestalteten Vorlage in nur einem Exemplar gegossen und entstand in einer Zeit, in welcher sich Dalí intensiv mit einem geplanten, aber nie realisierten Film beschäftigte. Der Künstler sammelte dafür Dokumente über die bäuerliche Erotik und wollte diese in einem Film unter dem Titel La brouette de chair – Der Fleisch-Schubkarren – verwenden. Darin wollte er zeigen, wie die Bauern dazu neigten, ihre Arbeitsmittel und Gerätschaften zu erotisieren und schrieb diesbezüglich wiederum der Schubkarre eine starke symbolische Kraft zu. Er veranschaulichte diese Feststellung anhand eines volkstümlichen amerikanischen Bildes aus dem 19. Jahrhundert, auf welchem eine Frau zu sehen ist, die ihren Mann an den Beinen festhält und wie eine Schubkarre vor sich hinschiebt. Der Bauer hält mit seinen Händen die Achse eines Rades fest und sein steifes Glied pflügt die Erde.
Die hier besprochene bronzene Schubkarren-Skulptur könnte also als Verbildlichung von Dalís nie realisiertem Filmprojekt verstanden werden. Ihre erotisierte Grundgestalt, welche für den Künstler ein komplexes Sinnbild von Libido und Impotenz darstellte, ergänzte Dalí zudem mit einigen nicht weniger symbolträchtigen Objekten und Kleinplastiken: Die Zange spielt auf die Kastrationsangst an, die liegende Eiche steht symbolisch für den Lebensraum und der Engel mit der Hand an seinem Mund erscheint dem Betrachter als Amor, welcher Schweigen gebietet. Schliesslich erinnern die Blumenkohlköpfe einerseits an die bäuerliche Arbeit auf dem Gemüseacker, andererseits ist aber auch bekannt, dass Dalí die Form des Blumenkohls mit dem weiblichen Geschlechtsorgan in Verbindung gebracht hat, was wiederum Dalís intensive erotische Assoziationskraft bezeugt.

Über den Künstler

Salvador Dalí war ein spanischer Maler, Grafiker, Schriftsteller, Bildhauer und Bühnenbildner. Obwohl er 1921 die Aufnahmeprüfung an der Königlichen Akademie San Fernando in Madrid bestand, zog er meist das Eigenstudium vor und wurde schliesslich 1926 wegen Renitenz von der Akademie verwiesen. Er zog sich nach Figueras zurück und widmete sich ganz der Malerei. Sein Stil war zu dieser Zeit von Futurismus und Surrealismus beeinflusst, den er 1926 bei seinem ersten Besuch in Paris kennengelernt hatte. Bei seinem nächsten Besuch in Paris im Jahre 1929 kam er in Kontakt mit der surrealistischen Gruppe und wurde als einer der Hauptvertreter des Surrealismus zu einem der bekanntesten Maler des 20. Jahrhunderts.
Das Werk Sigmund Freuds hatte grossen Einfluss auf Dalís Werk und hatte ihn schon seit seiner Studienzeit fasziniert, da er selber unter starken Wahnvorstellungen litt. So entwickelte Dalí im Laufe der Jahre eine Bildsprache, die Elemente des Traums und des Unbewussten in einem altmeisterlichen Stil zu Metaphern verbindet.
Sein exzentrisches Verhalten und seine kontroversen Ansichten führten schliesslich zum Bruch mit der surrealistischen Gruppe. Doch da Dalí nicht nur ein begnadeter Maler sondern auch ein cleverer Geschäftsmann war, hatte er schon längst grössere Ziele vor Augen und plante seinen nächsten Karriereschritt in den Vereinigten Staaten. Dort wurde er endgültig zum Superstar und dehnte seinen Tätigkeitsbereich auch auf Ballett, Oper, Film, Mode, Schmuck und Werbung aus.